Die sieben Sinne

Das Aroma von frisch gebrühtem Kaffee, die Wärme der Sonne durch einen transparenten Vorhang, herrlich weiche Laken – ein Raum, der alle unsere fünf Sinne anspricht, gibt uns ein sicheres und glückliches Gefühl. Bei Menschen mit Demenz sind jedoch noch zwei weitere Sinne zu berücksichtigen.

Gun Aremyr ist seit Ende der 1980er-Jahre im Bereich Demenzpflege tätig und hat in ihrer Rolle als Ergo therapeutin, Angehörigenberaterin und Dozentin zahlreiche Menschen und Pflegeeinrichtungen kennengelernt. Es war ihr sehr früh klar, wie eine gut geplante physische Umgebung Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen das Leben in verschiedenen Bereichen erleichtern kann. Die mit Abstand wichtigste Erkenntnis war, dass jeder Mensch ein Individuum ist, mit seiner eigenen einzigartigen Lebensgeschichte, es aber auch einige allgemeine Aspekte zu berücksichtigen gilt, wie die sieben Sinne.

„Unsere fünf äußeren Sinne machen uns bewusst, wo wir uns auf der Welt befinden, unsere beiden inneren Sinne, der Muskelund Gelenksinn und unser Gleichgewichtssinn, machen uns das aus dem Körperinneren heraus bewusst“, erklärt sie.

„Wenn zum Beispiel eine Person mit Demenz einen dunklen Teppich als Loch wahrnimmt, wird ihr durch ihre Gelenk- und Muskelsinne signalisiert, dass dies nicht der Fall ist, wenn sie darüber geht, und das verursacht viel unnötige Angst und Stress.”

Ein gesunder Geist interpretiert und erinnert sich fortlaufend; wenn man sich jedoch nicht mehr erinnern kann, kann man sein Wissen nicht abrufen und alles ist jedes Mal genauso überraschend und beängstigend, falls die Verbindung zwischen den Sinnen nicht übereinstimmt. Wenn Sie gesund sind, ruft Ihr Geist Informationen für Sie ab, aber wenn Ihr Gedächtnis beeinträchtigt ist, müssen Ihre Sinne das für Sie tun. Gun nennt ein weiteres Beispiel: Stellen Sie sich vor, Sie greifen mit der Hand in Ihre Tasche, um Ihr Handy herauszuholen und haben stattdessen eine weiche, schimmelige Frucht in der Hand ... Wir haben alle schon einmal eine ähnliche Erfahrung gemacht und wissen, wie sich das anfühlt.

„Das macht Angst, nicht wahr? Ihr Körper setzt Kortisol und Adrenalin frei und Sie erleben einen erheblichen Anstieg Ihres Stresslevels. Wenn ich als demenzkranke Person meiner Umgebung nicht mehr vertrauen kann, werde ich den ganzen Tag über dieses Maß an Unbehagen empfinden“, erklärt Gun.

Reflexionskarten

Vor dem Hintergrund ihrer langjährigen Erfahrung in der Demenzpflege haben Gun Aremyr und ihre Kollegin Bertha Ragnarsdóttir eine Schachtel mit Reflexionskarten erstellt. Die Idee besteht darin, Beschäftigten in der häuslichen Pflege oder in Pflegeeinrichtungen ein Instrument an die Hand zu geben, um ethisch schwierige Situationen zu durchdenken, in denen die Kommunikation mit Angehörigen trotz ihrer guten Absichten nicht erfolgreich war. 

Die Schaffung von Sicherheit ist sowohl für Angehörige als auch für Mitarbeitende gleichermaßen wichtig. Und manchmal erfordert es, ein wenig nachzudenken und zu reflektieren. In diesem Fall können diese Karten mit Szenarien häufig vorkommender Situationen zu einem besseren Verständnis beitragen. 

Lesen Sie mehr über die Reflexionskarten auf gunaremyr.se.

Die richtige Wahl der Möbel und Materialien macht den Unterschied

Demenz beeinträchtigt oft den Gleichgewichtssinn einer Person. Deshalb ist es wichtig, sich zur Unterstützung auf die Möbel im Raum verlassen zu können. Stabile Möbel, die das Hinsetzen und Aufstehen erleichtern, tragen zu einem Gefühl der Unabhängigkeit bei. Auch die Innenarchitektur sollte Sicherheit bieten, indem sie authentisch ist, d. h. die Materialien sollten das sein, nach dem sie aussehen, sprich dass sich eine Holzoberfläche wirklich wie Holz anfühlt und keine harte Kunststoffoberfläche ist.

„In einem Raum, in dem ich nicht auf der Hut sein muss, fühle ich mich ruhiger und sicherer und kann eher Freude erleben. Das wollen wir zwar im Prinzip mit jeder Art von Innenarchitektur erreichen, für die Lebensqualität von Menschen mit Demenz ist es allerdings absolut entscheidend.“ Eine durchdachte Innenarchitektur, die auf die jeweilige Tätigkeit abgestimmt ist, macht Personal und Bewohner glücklicher und gesünder.

„Wir sprechen derzeit über demenzfreundliche Gemeinschaften, aber die Dinge, die Menschen mit Demenz unterstützen, sind gut für uns alle.“

Fünf Tipps

für Pflegeumgebungen für Menschen mit Demenz

1. Kontraste für eine bessere Orientierung

Böden, Wände, Türen und innenarchitektonische Elemente in Kontrastfarben erleichtern die Orientierung in einem Raum und vermitteln den Bewohnern ein Gefühl der Selbstständigkeit. Klarheit reduziert zudem Ängste und Frustration.

2. Geräuschkulissen abschwächen

Achten Sie darauf, dass die Möbel keine Kratzgeräusche machen, und integrieren Sie vorzugsweise Schallabsorber in den Raum. Sanfte Musik und Naturgeräusche können beruhigend oder auch anregend sein, wenn die Bewohner selbst entscheiden können, wann und ob sie zuhören möchten.

3. Veränderungen der Sehkraft berücksichtigen

Die richtige Beleuchtung verhindert Unfälle, erleichtert die Orientierung und beeinflusst den Tag-Nacht-Rhythmus. Es ist auch zu bedenken, dass sich die Art und Weise, wie eine Person Farbänderungen wahrnimmt, mit dem Alter verändert.

4. Eine sichere Umgebung mit den richtigen Möbeln

Sofas und Sessel, die das Aufstehen und Hinsetzen erleichtern, erhöhen die Unabhängigkeit. Und authentische Naturmaterialien eliminieren unerwünschte Überraschungseffekte und steigern das Gefühl von Harmonie und Sicherheit.

5. Eine wohnliche Atmosphäre schaffen

Wenn Pflegeeinrichtungen eine wohnliche Atmosphäre vermitteln, ist die Harmonie unter den Bewohnern größer und sie fühlen sich sicher. Denken Sie daran, dass sich auch Kinder und Enkel willkommen fühlen sollten!