Akustik richtig gestalten
ERFOLGSFAKTOR
BÜRO-RAUMAKUSTIK
Von Anne Engels, Dipl.-Ing. (FH) Innenarchitektur,
Planerin im Kinnarps Interior Design Team
Akustik richtig zu gestalten ist eine spannende Aufgabe. Der japanische Akustiker Yasuhisa Toyota ist mit seiner Gestaltung einiger berühmter Konzertsäle weltweit sogar zum Star avanciert. Der gute Ton ist im Büro ebenfalls ausschlaggebend. Auch wenn die Anforderung eine andere ist, da sich die Akustik hierbei nicht um Musik, sondern um Sprache dreht. Die räumliche Umgebung hat einen entscheidenden Einfluss auf die Qualität unserer Arbeit. Ist die Akustik auf die Arbeitsaufgaben abgestimmt, ist die erste Rahmenbedingung für einen erfolgreichen Büroalltag geschaffen.
DAS AUSMAß
AKUSTISCHER PROBLEME
Fazit einer Auswertung von 200 Arbeitsplatzanalysen europaweit:
Störende Geräuschepegel sind ein verbreitetes Problem in Büros.
Besonders negativ wird der Mangel an Einflußnahme empfunden.
Abhilfe können z.B. moderne Arbeitswelten schaffen, in denen man den Arbeitsort je nach Tätigkeit frei wählen kann.
WIE BEWERTEN SIE DEN GERÄUSCHPEGEL
IN IHRER ARBEITSUMGEBUNG?
Aus dem aktuellen NEXT OFFICE INISIGHT REPORT von Kinnarps
OPTIMALE NACHHALLZEIT
Leere Büroräume sind im Rohbauzustand „hallig“, denn an den glatten Oberflächen wird der Schall reflektiert. Abhilfe schafft der Einbau von Absorptionsflächen an Decke, Wänden und Boden, denn sie reduzieren die Nachhallzeit. Empfehlungen hierfür geben die technischen Regeln für Arbeitsstätten ASR A3.7, die VDI 2569 (Entwurf 2016-02) und die DIN 18041.
Der Hauptverursacher für Schall im Büro ist der kommunizierende Mensch. Unsere Sprache besteht aus vielen Frequenzen, deshalb richten sich die Empfehlungen für maximale Nachhallzeiten auf alle Frequenzen im sprachlich relevanten Bereich aus, d.h. von 250 Hz bis 2000 Hz. Je nach Art und Nutzung des Raums werden unterschiedliche Nachhallzeiten empfohlen. Ganz allgemein kann man sagen: Je besser Sprache zu verstehen sein soll, desto kürzer sollte die Nachhallzeit sein. Das bedeutet z.B. für Besprechungsräume – je nach Größe – 0,4 bis 0,5 Sekunden. In Büros, in denen konzentrierte Einzelarbeit im Vordergrund steht, ist Sprachverständlichkeit eher störend. Deshalb werden hier 0,5 bis 0,8 Sekunden Nachhall angestrebt. Im Idealfall gehen dann Sprachinhalte in einem diffusen Geräuschpegel unter.
Empfehlungen für maximale Nachhallzeiten |
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Ein- und Zweipersonenbüro: | 0,80 Sekunden |
Mehrpersonen- und Großraumbüro: | 0,60 Sekunden |
Callcenter: | 0,50 Sekunden |
Besprechungsraum für 6 Personen: | 0,40 Sekunden |
Besprechungsraum für 10 Personen: | 0,45 Sekunden |
Besprechungsraum für 20 Personen: | 0,50 Sekunden |
Für die Angaben zu den Besprechungsräumen wurden die benötigten Mindestraumflächen zu Grunde gelegt und eine Raumhöhe von 2,75 m.
ABSORBER RICHTIG EINSETZEN
Auch die Anordnung der Absorber im Raum spielt eine Rolle für die Raumakustik. Daher halten die Richtlinien auch hierfür Tipps bereit: In Büros und Aufenthaltsräumen werden die Absorptionsflächen gleichmäßig verteilt, während in Schulungsräumen die Wand hinter dem Vortragenden und die Mitte der Decke von Absorbern frei bleiben sollten. Diese Bereiche fungieren dann als Reflexionsflächen. Dadurch kann man auch in mittelgroßen Räumen auf eine Lautsprecheranlage verzichten.
Ist die Sprache in einem Raum schlecht zu verstehen und verwaschen, ist das ein Hinweis auf eine zu lange Nachhallzeit. Ist Sprache umgekehrt sehr klar zu verstehen, deutet es auf eine zu kurze Nachhallzeit hin. Ziel ist es, Raumvolumen und Absorptionsflächen in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander zu bringen.
Berechnung der Nachhallzeit eines Raums |
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T = 0,163 x V/A | T=Nachhallzeit in Sekunden V=Raumvolumen A=Summe der Schallabsorptionsflächen im Raum |
Weicht der IST-Zustand von den empfohlenen Nachhallzeitwerten ab, kann man durch Umstellen der Formel den Bedarf an Absorptionsflächen ermitteln.
Berechnung zum Bedarf der Absorptionsfläche |
A = 0,163 x V/T |
Als mögliche Absorber kommen zunächst Decke und Boden in Frage. Üblicherweise werden akustisch wirksame Produkte nach ISO 354 geprüft. In den Prüfzeugnissen sind ihre schallschluckenden Eigenschaften als sogenannte „Schallabsorptionsgrade“ aufgelistet, für jede Frequenz einzeln. Ein Schallabsorptionsgrad von 0 bedeutet, dass ein Produkt den Schall komplett reflektiert, ein Schallabsorptionsgrad von 1 heißt, dass das Produkt den Schall komplett absorbiert. Meist liegen die Werte dazwischen.
Die Schallabsorptionsfläche eines Produktes entspricht damit seiner Fläche multipliziert mit seinem Schallabsorptionsgrad.
A (Produkt) = Länge x Breite x Schallabsorptionsgrad
Die Schallabsorptionsflächen aller Produkte werden dann addiert und bilden das Gesamtergebnis für den Raum.
A = A (Produkt 1) + A (Produkt 2)
Diese Berechnung wird für jede Frequenz durchgeführt.
DECKE, WAND UND BODEN
Welche Absorber sind am effektivsten? Es zeigt sich, dass Akustikdecken über alle Frequenzen hinweg viel Schall schlucken. Dazu bietet eine Decke die größtmögliche Fläche zur Installation von Akustikelementen im Raum. Wände werden häufig gebraucht, um Schränke aufzustellen, und sind daher besser freizuhalten. Teppichböden hingegen wirken erst ab 2000 Hz nennenswert. Sie sind damit weniger für die Absorption des Sprachschalls als für die Trittschalldämpfung interessant. Dies hängt mit ihrer Aufbauhöhe zusammen. Ein dünnes Produkt wie ein Teppich kann nur die kurzen / hohen Frequenzen absorbieren, während eine abgehängte Decke auch lange / tiefe Frequenzen schafft. Die Kombination dieser beiden Maßnahmen kann zu einer guten akustischen Grundausstattung von Räumen führen.
Zur groben Einordnung flächenhafter Absorber wurde alternativ auch eine Bewertung akustischer Produkte nach sogenannten Absorberklassen A bis E eingeführt. Da hier jedoch ein einziger Wert das gesamte Produkt klassifiziert, handelt es sich um eine starke Vereinfachung, in der Abweichungen einzelner Frequenzen nicht klar erkennbar sind. Für akustische Gesamtkonzepte eignen sie sich nicht.
DAS AKUSTISCHE FINETUNING
Neben der Nachhallzeit untersuchen Akustiker*innen bei großen Büroräumen zusätzlich die Lautstärkeabnahme über die Entfernung im Raum. Stellwände, Schränke und Raumteiler helfen dabei, Arbeitsplätze oder Zonen in größeren Räumen abzuschirmen. Dadurch verringert sich die Schallausbreitung. Ziel ist, die Sprachverständlichkeit auf das direkte Umfeld zu begrenzen, um andere Personen nicht zu stören.
Stellwände oder Tischaufsätze auf Arbeitsplätze sind dort empfehlenswert, wo in einer größeren Bürofläche konzentriert gearbeitet werden soll. Ein Teil des Schalls kann damit schon an der Quelle eingefangen werden, während der reflektierte Restschall dann von der Decke absorbiert wird.
Bei der Einrichtung der Arbeitsplätze ist es darüber hinaus wichtig zu wissen, dass sich der Schall kugelförmig um den Kopf ausbreitet, also auch seitlich und nach hinten. Optimalerweise werden die Arbeitsplätze deshalb hintereinander angeordnet. Auf diese Weise kann eine Wand den Schall von zwei Personen abfangen. Bei klassischen Doppelarbeitsplätzen, bei denen sich Mitarbeiter gegenübersitzen, empfiehlt sich im Rücken eine Stellwand oder ein Schrank.
Teamarbeitsplätze sollen Abstimmung der Mitarbeiter untereinander ermöglichen. Diese mit Zwischenwänden zu unterbinden, macht also keinen Sinn. Hier können in großen Räumen komplette Teams besser durch Schränke oder Raumteiler voneinander getrennt werden.
In kleinen Büroräumen und in Besprechungsräumen rücken die Wandflächen in den Fokus.
Um Flatterechos zwischen parallelen Wänden zu vermeiden, kommen Wandabsorber zum Einsatz. Sie können gleichzeitig zur dekorativen Raumgestaltung genutzt werden oder auch als Pinnwände, sofern genügend andere Absorptionsflächen vorhanden sind.
Für Innenarchitekt*innen ist es immer eine Freude, wenn die Absorber aus einer Produktfamilie gewählt werden können, eine große Stoffauswahl zur Verfügung steht, und die Flächen formal und farblich aufeinander abgestimmt werden können.
Abschließend noch eine Info zu Stellwänden: Da es sich um Produkte mit festen Abmessungen handelt, werden in den Prüfzeugnissen bereits die entsprechenden Schallabsorptionsflächen pro Frequenz ausgewiesen. Dieser Berechnungsschritt entfällt also. Eine Stellwand hat ihren Absorptionsschwerpunkt in der Regel im Bereich von 500 Hz bis 2000 Hz.
Hieraus erklärt sich, dass ein Raum mit solchen Elementen allein, akustisch nicht in den Griff zu kriegen ist. Diese Produkte bieten keine Dämpfung der tiefen Frequenzen. Auch absorbieren sie in der Regel weniger Schall als eine Decke. Man müsste schon sehr viele Stellwände einsetzen, um auf einen vergleichbaren Wert zu kommen. Ihre maßgebliche Bedeutung bei der Raumakustik liegt in der Abschirmung und Schall-Lenkung.
PLANUNG VON ANFANG AN
Akustik ist ein wichtiger Faktor der Raumgestaltung. Ähnlich wie bei der Gestaltung einer Konzerthalle sollte künftig auch in Bürogebäuden bereits bei der Bauplanung die Raumakustik verstärkt berücksichtigt werden. Dann wäre auch hier Musik drin, d.h. der Grundstein für zufriedene Nutzer gelegt.
Es lohnt sich also immer, mit dem Bauherrn eine Grundausstattung des Gebäudes mit akustisch wirksamen Decken und Bodenbelägen zu vereinbaren. Weitere akustische Maßnahmen in Form von Wandabsorbern, Stellwänden und Raumteilern können dann im Zuge der Nutzerplanung gezielt zum Einsatz kommen.